Zwangsarbeiter auf Rügen – 2
Schicksale ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter in Deutschland:
Stanisław-Zenon Drabowicz
Geboren 1936 in Działoszyn, Zwangsarbeit in Martensdorf (bei Stralsund) in der Landwirtschaft
Stanisław D. kam im Frühjahr 1942 als Sechsjähriger mit seinen Eltern und seiner fünf Jahre jüngeren Schwester über mehrere Zwischenstationen nach Martensdorf. Zusammen mit einer anderen Familie wurden die vier in einem Zimmer in einer ehemaligen Militärkaserne untergebracht. Die Eltern arbeiteten auf dem Feld, die Arbeit begann bei Sonnenauf- und endete bei Sonnenuntergang. In dieser Zeit war der Sechsjährige für die Betreuung seiner Schwester zuständig. Stanislaw D. und seine Schwester bekamen zwar eintönige aber ausreichende Nahrung, die Eltern selbst litten Hunger. Auf Karten konnten sie Seife kaufen, neue Kleidung gab es nicht. Die Eltern hielten die Kinder weitgehend aus den Problemen, die sie hatten, heraus. Dennoch erinnert sich Stanisław D. an eine Prügelstrafe, die sein Vater erhielt, weil er nach Meinung des Bauern zu langsam gearbeitet hatte.
Der Vater bot, wenn er nicht in der Landwirtschaft arbeiten musste, seine Dienste als Schuster an, die auch von den deutschen Arbeitern dankbar angenommen wurden.
Im Mai 1945 kehrte die Familie nach Polen zurück. Neun Jahre später starb die Mutter im Alter von 44 Jahren, was Stanisław D. wesentlich auf die körperliche Überlastung während der Zwangsarbeit zurückführt, von der sich seine Mutter nie erholt hatte.
Genowefa Jankowska
Geboren 1925 in Lipe/ Kreis Kalisz, Zwangsarbeit in Parchow (Rügen) in der Landwirtschaft
Genowefa J. wurde im Februar mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester nach Rügen zur Zwangsarbeit verschleppt. In Parchow lebten sie mit anderen polnischen Arbeitern in kasernenähnlichen Gebäuden, in Zimmern mit jeweils 3 bis 4 Doppelstockbetten. Zum Schlafen gab es eine Decke ohne Bezug, die Sanitäranlagen befanden sich im Freien.
Die beiden jungen Frauen verrichteten zunächst Stall- und Feldarbeiten, wobei sich die jüngere Schwester vor allem an das Ernten von Rosenkohl bei Raureif und das Gemüseputzen im Winter im eisigen Schuppen erinnert. Später konnte Genowefa als Putzfrau im Haus arbeiten, wo sie wenigstens nicht mehr fror und hungerte. Sie arbeiteten von der Morgendämmerung bis zur Nacht. Freizeit gab es jeden zweiten Sonntag am Nachmittag.
Anfang Mai 1945 konnten die Schwestern nach Polen zurückkehren, Genowefa leidet heute an den Folgen der Zwangsarbeit. Sie hat Rheuma, eine Herzkrankheit und eine lädierte Wirbelsäule.
Jadwiga Sasiak
Geboren 1934 in Orzeszków, Zwangsarbeit in Benz (Rügen) auf einem Landgut
Am Tag der Zwangsumsiedlung, am 5. Juni 1944, erschienen zwei Deutsche auf dem Bauernhof, die Familie musste sich innerhalb von einer halben Stunde zur Abfahrt bereit machen. Nach einem mehrtägigen menschenunwürdigen Aufenthalt in einem Sammellager in Polen wurden die Menschen in Viehwagen nach Binz transportiert. Dort half die sechzehnjährige Jadwiga ihren Eltern bei der Arbeit auf dem zugewiesenen Landgut. Während der Zeit des Zwangseinsatzes war es der Familie nicht erlaubt, das Gut zu verlassen. Nur einmal im Monat durften sie in die Kirche gehen. Als sie im Mai 1945 in ihren polnischen Heimatort zurückkehrten, war ihr eigener Bauernhof vollständig zerstört.
Bolesław Maraszek
Geboren 1925 in Zduny, Zwangsarbeit in Trent (Rügen) auf einem Bauernhof
Im Februar 1940 wurde der 15jährige Junge in seinem polnischen Heimatort auf einen Zug geladen, der von der SS umstellt war, und fand sich am nächsten Tag in Stralsund wieder. Von dort wurde er nach Bergen/Rügen gebracht und anschließend nach Trent, wo ein Bauer auf ihn wartete. Auf dessen Hof verrichtete Boleslaw M. alle anfallenden Arbeiten, die häufig über die Kraft des Heranwachsenden hinaus gingen. Anfänglich erhielt er monatlich 15 Mark Arbeitslohn, später blieb das Geld aus. Es war ihm verboten, polnische Briefe nach Hause zu schreiben und er hatte, wie alle Zwangsarbeiter, die Pflicht, ein „P“ auf seiner Kleidung zu tragen. Zudem zwang man ihn, die Hitlerreden im Radio anzuhören, von denen er damals nichts verstand.
Boleslaw M. kehrte 1942 nach Polen zurück.
„Henryk“
Geboren 1935 in Trzcinica, Zwangsarbeit in Putgarten (Rügen) auf einem Bauernhof
Henryks Familie (Eltern und vier Brüder) wurde zu Ostern 1941 deportiert, der fünfte Bruder war bereits 1940 im Zuge einer Razzia zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt worden. Nach mehrtägigen Aufenthalten in Sammellagern, wo es weder Sanitäranlagen noch Trinkwasser gab, erreichten sie den ihnen zugewiesenen Arbeitsort Putgarten. Die Familie wohnte hier in einem Raum mit Küche innerhalb eines Zweifamilienhauses. Sie arbeiteten von morgens bis abends auf dem Feld oder im Stall. Da sie an diese Tätigkeiten gewöhnt waren, fiel ihnen die harte Arbeit nicht schwer.
Außerdem hielten sie sich, so gut es ging, an die Verbote, z. B. sich mit anderen Polen zu treffen oder Radio zu hören.
Einmal äußerte sich der Bruder jedoch regimekritisch. Zur Strafe dafür wurde er 1944 in ein Arbeitslager verbracht.
Ein anderes Mal musste die Familie aufgrund einer Verleumdung durch die Nachbarin ein Verhör durch die deutsche Polizei über sich ergehen lassen.
In der zweiten Junihälfte 1945 kehrte die Familie nach Polen zurück.