Zwangsarbeiter auf Rügen – 3

Schicksale ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter in Deutschland:

Jadwiga Wójcik
Geboren 1920 in Budy Wolskie, Zwangsarbeit in Holstenhagen (Rügen) auf einem Bauernhof

Im April 1940 wurde Jadwiga W. unter Zwang in das Dorf Holstenhagen gebracht. Sie musste einen kranken Vater zurücklassen, den sie nie wieder sah. Während des Transports von Warschau an ihren Einsatzort erlebte sie Erschießungen von Menschen, die versucht hatten, unterwegs zu fliehen.
Am Einsatzort wurde ihr eine Kammer unter dem Dach zugewiesen. Ihre täglichen Aufgaben waren: die Säuberung von Haus und Gehöft, die Fütterung der Tiere, das Melken von sieben Kühen (zwei bis dreimal täglich), der Transport der gemolkenen Milch von der 3 km entfernten Weide. Dabei litt sie unter der rüden Behandlung durch die Bäuerin. Nachdem sie zur Beerdigung ihres Vaters in ihren Heimatort fahren durfte, kehrte Jadwiga W. nicht wieder nach Rügen zurück, sondern hielt sich bis zum Ende des Krieges versteckt.

Stanisława Lorych
Geboren 1926 in Świerże, Zwangsarbeit in Binz und Sassnitz (Rügen) im Restaurantbetrieb

Mitte April 1940 kamen spezielle deutsche Diensteinheiten in Stanisławas Heimatdorf und holten aus fast jeder Familie zwei Personen zum Zwangseinsatz in Deutschland ab; in ihrem Falle sie und ihre Schwester. Zunächst wurden die Menschen in das Zwischenlager Lublin gebracht, wo sie untersucht und mit Nummernschildern versehen wurden. Auf dem anschließenden Transport nach Deutschland wusste keiner von den Zwangsarbeitern, wohin es ihn verschlagen würde. An den verschiedenen Bahnhöfen standen deutsche Landwirte und wählten Arbeitskräfte aus der Menschengruppe aus.

Stanisława L. kam nach Binz in eine Pension, wo sie als Küchenhilfe eingesetzt wurde. Im Gegensatz zu ihrer Schwester, die in einem Fischereigroßhandel arbeiten musste, hatte sie Glück: Sie teilte sich ein Zimmer mit einer Kollegin, die Mahlzeiten nahm sie gemeinsam mit dem deutschen Personal ein, was nicht der offiziellen Vorschrift entsprach, und sie bekam Seife und Kleidung. Auch in Sassnitz, wohin sie nach ein paar Monaten umgesetzt wurde, verrichtete sie Tätigkeiten in der Küche und hatte ein erträgliches Leben neben der Arbeit, die von 6.00 Uhr morgens bis 18.00 Uhr abends dauerte.

Mit dem Zwangsarbeiter Antoni L. bekam sie im März 1945 ein Kind. Wenn die sowjetischen Truppen im Mai 1945 die junge Familie nicht gezwungen hätten, nach Polen zurückzukehren, wäre es ihr Wunsch gewesen, nach dem Krieg ein eigenes Leben in Deutschland aufzubauen.

Janina Przybyszewska
Geboren 1916 in Jęzierna-Tomaszów Lubelski, Zwangsarbeit in Boldevitz (Rügen) auf einem Landgut

Zum Zeitpunkt ihrer Zwangsaussiedlung, im Januar 1940, befand sich Janina P. in Lettland. Von dort wurde sie auf einem Kriegsschiff nach Deutschland transportiert. Die Menschen lagen bei 35 Grad Kälte auf dem Deck und bekamen ausschließlich etwas Suppe. Sie litten an Magenverstimmung, übergaben sich und mussten ihre Notdurft auf dem Deck verrichten.
Am Einsatzort lebten die polnischen Arbeiter in unbeheizten Baracken. (Von den ca. 100 Gutsarbeitern waren 20 Polen, die Übrigen kamen aus Frankreich, Italien, der Ukraine, Russland und anderen Ländern.) Ausgang in die Umgebung bekamen sie nur mit Passierschein, der vom Arbeitgeber ausgestellt wurde.

Das Essen bestand zumeist aus einer Kohlsuppe, in der manchmal Ungeziefer war, Kleidung erhielten sie nicht und ein Stück Seife musste für zwei Monate reichen.

Von morgens um 7 Uhr bis zum Abend verrichtete Janina P. die auf dem Gut anfallenden Arbeiten: Sie molk die Kühe, fuhr Mist, arbeitete beim Kartoffeln stecken und roden, bei der Heu- und Getreideernte. Wenn einer der Zwangsarbeiter nach Meinung des Bauern nicht schnell genug arbeitete, erhielt er Schläge. Die deutschen Kinder beschimpften die Polen.

Am 9. Mai 1945 begann die Rückkehr nach Polen. Janina P. erreichte ihre Heimat am 25. Mai 1945. Von der Zwangsarbeit behielt sie Erfrierungen an den Beinen, ein Nierenleiden und Schäden an der Wirbelsäule zurück.

Paweł Pelka
Geboren 1929 in Zieniec, Zwangsarbeit in Gramtitz (Rügen) auf einem Bauernhof
Im April 1942 wurden die drei Geschwister Helena, Stanisława und Paweł um fünf Uhr morgens von ihrem Heimathof zunächst zum Sammelpunkt Stralsund gebracht. Als die Gruppe polnischer Zwangsarbeiter dort, wie vom Stralsunder Arbeitsamt angewiesen, in einer öffentlichen Badeanstalt baden sollte, verhinderten dies aufgebrachte deutsche Frauen, die die Polen nicht für würdig hielten, ein deutsches Bad zu benutzen. Einige Tage später wurden die Geschwister zusammen mit einer vierköpfigen polnischen Familie nach Gramtitz gebracht. Sie lebten alle in zwei Kammern eines Hauses, dessen andere Seite von deutschen Arbeitern bewohnt wurde.

Die Kinder verrichteten Arbeiten wie Kühe melken und füttern, die Ställe säubern und Schweine füttern von 5 bis 6:30 Uhr, dann erst gab es Frühstück, anschließend verrichteten sie Feldarbeit bis zum Abend.

Die Verpflegung war dürftig: dünne Milch, Margarine, etwas Marmelade, wenig Brot, dafür immer Kartoffeln. Alle zwei Monate bekamen sie ein Stück Seife, neue Kleidung jedoch nicht. Schläge auf den Kopf oder Beschimpfungen durch den deutschen Bauern gehörten zur Tagesordnung, wenn dieser mit einer Arbeitsleistung nicht zufrieden war.

Da die Geschwister in einem etwas abgelegenen Haus lebten, hatten sie den Vorteil, dass Zwangsarbeiter von anderen Gütern zu ihnen kommen konnten. Dadurch hatten sie Kontakt zu anderen Polen, aber auch Russen und Ukrainern.

Wie alle Ausländer in Gramtitz wurden auch die Kinder gezwungen, eine Hinrichtung mit anzusehen: Ein ukrainischer Zwangsarbeiter, der angeblich sexuelle Kontakte mit einer Deutschen gehabt haben sollte, wurde auf grausame Weise ermordet.

Am 22. September 1945 kehrten die Geschwister mit dem Zug nach Polen zurück.

Zofia Lubocka
Geboren ca. 1930 in Brzesc nad Bugiem (heute Russland), Zwangsarbeit in Tetzitz (Rügen), auf einem Bauernhof

Zofia wurde 1943 zusammen mit ihrer Mutter nach Deutschland verschleppt. Nach verschiedenen Lageraufenthalten wurden die Zwangsarbeiter im letzten Lager am ganzen Körper rasiert und mussten sich anschließend mit Petroleum einreiben. Auf ihre Kleidung wurde, je nach Nationalität, ein Erkennungszeichen – in Zofias Fall das „P“ – geheftet.

Der Transport nach Deutschland fand in Viehwaggons statt, Stacheldraht an den Waggons machte eine Flucht unmöglich.

Auf Rügen angekommen, wartete das 13-jährige Mädchen mit ihrer kranken Mutter zwei Wochen darauf, dass sie jemand aufnahm; gesucht waren nur arbeitsfähige Menschen.
Dann kamen sie nach Tetzitz. Dort bewohnten sie ein Zimmer mit einem Bett, einem Tisch und einem kleinen Ofen.

Zofia ging jeden morgen zu einem Appell, wo sich auch andere jugendliche Zwangsarbeiter melden mussten, und bekam dort Arbeit zugewiesen, hauptsächlich auf dem Feld. Sie arbeitete im Sommer von 5 bis 21 Uhr. Empfand man ihre Arbeitsleistung als mangelhaft, wurden ihr Schläge angedroht.
Als sie im Frühjahr 1945 mit ihrer Mutter nach Polen zurückkehrte, suchte die immer noch minderjährige Zofia eine Arbeit, um die Medikamente für ihre Mutter zu finanzieren. Bereits im Februar 1946 starb jedoch ihre Mutter.

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