Formierung der „Volksgemeinschaft“
Formierung der „Volksgemeinschaft“
Die Idee einer klassenübergreifenden „Volksgemeinschaft“ wurde nicht erst im „Dritten Reich“ populär. Ihr Erfolg beruhte nicht ausschließlich auf Zwang und Terror. Die Sehnsucht nach Gleichheit, Harmonie und Integration war im kulturellen Bewusstsein der deutschen Bevölkerung seit Jahrhunderten verankert.
Diesen Sehnsüchten kam das Versprechen der „Volksgemeinschaft“, eines der wirksamsten nationalsozialistischen Propagandamittel, entgegen. Dem Gleichheitsideal entsprach die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“, die auf einer strikten Trennung in Führer und Gefolgschaft basierte, allerdings nicht. Trotzdem verfolgten die Nationalsozialisten das Ziel, innere Geschlossenheit durch umfassende weltanschauliche Erziehung herzustellen. Zuständig für Erziehung und Schulung waren nahezu sämtliche NS-Organisationen und öffentlichen Einrichtungen des „Dritten Reiches“.
Die Deutschen sollten in allen Lebens- und Arbeitsbereichen lückenlos erfasst und im nationalsozialistischen Sinne erzogen werden. Insbesondere die DAF propagierte den „Volksgemeinschafts“-Gedanken: Versprochen wurde, die „Arbeiter der Stirn“ und die „Arbeiter der Faust“ zu versöhnen und in einer „Betriebsgemeinschaft“ zu integrieren. Die Konflikte zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten und -gruppierungen wurden ideologisch zu „Produktionsschlachten“ umdefiniert, in denen sich die „Soldaten der Arbeit“ zu bewähren hatten.
In diesem Zusammenhang ist auf die öffentlich-medialen Inszenierungen hinzuweisen: Politische Massenveranstaltungen mit Festcharakter, ritualisierte Jahres- und Feiertage trugen zur Verankerung dieser Form kollektiver Identität bei. Sammlungen für das „Winterhilfswerk“ und „Eintopfsonntage“ sollten die Existenz einer egalitären Gesellschaft vortäuschen. KdF fiel die Aufgabe zu, die Freizeit zu lenken und zu kontrollieren – das Seebad Prora sollte in diesem Kontext einen Beitrag leisten. Kunst, Kultur, Wissenschaft und Sport wurden im Hinblick auf die Erfordernisse nationalsozialistischer Erziehung instrumentalisiert und propagandistisch genutzt.
Im Rahmen der Definition einer „Volksgemeinschaft“ wurde ebenso das ‚Nichtzugehörige’, das ‚Fremde’ und ‚Andere’, festgelegt. Ausgrenzung, Vertreibung, Verfolgung und Vernichtung aus rassischen, politischen oder sonstigen Gründen gehörte zu den nationalsozialistischen Ideologien und Praxen, die – im Verbund mit sozialen Praxen wie Bespitzelung und Denunziation – zur Formierung der „Volksgemeinschaft“ beitrugen, die nur aus leistungswilligen „arischen“ Deutschen bestehen sollte.