Projekt Curtains and Walls
Curtains and Walls-Vorhänge und Mauern
Das Projekt „Curtains and Walls“ ist das erste Projekt in der geplanten Reihe „ طخ / دودحلا„ – Grenzlinie – Border / Line
– Meja /Linje“, die wir im Rahmen des „Erasmus+ /Youth in Action“-Programms gemeinsam mit unseren europäischen Partnern umsetzen. Es wurde im Herbst 2022 vom Dokumentationszentrum Prora in Berlin und auf der Insel Rügen ausgerichtet.
Unsere Projektpartner:
- LUNG, Volksuniversität in Nova Gorica /Slowenien
- MS 5-Mittelschule für Klagenfurt am Wörthersee-Wölfnitz und Wien (HLMW 9 – Expositur für Hörbeeinträchtigte (Höhere Lehranstalt für Mode und Wirtschaft) / Österreich/Kärnten
- Regionale Schule Sassnitz auf Rügen
- ARBOS – Company for Music and Theatre, Klagenfurt, Salzburg und Wien
Die italienische Zwillingsstadt Gorizia konnte bereits für das Anschlussprojekt in Nova Gorica im Frühjahr 2023 gewonnen werden. Jerusalem ist in Planung.
Die Idee: Jugendliche (Alter: 13 bis 20 Jahre) sollen sich an den jeweiligen Heimatorten begegnen können und sich und die Perspektive der „anderen“ in einer Projektreihe zum Themenkomplex Grenzen und Grenzüberwindung kennen lernen. Alle Kooperationspartner haben mehrheitlich die Erfahrung mit konkreter Grenzbefestigung zwischen den Ländern, die es zu überwinden galt und gilt und die bis heute Spuren im Alltag hinterlassen hat.
Jeweils acht Jugendliche aus Sassnitz auf Rügen, Nova Gorica und Klagenfurt/Wien hatten in dem Projekt „Curtains and Walls“ die Gelegenheit, sich zu begegnen und sich gemeinsam mit den Perspektiven diesseits und jenseits der Mauer bzw. Grenzen zu beschäftigen. Sie bringen ihre eigenen Erfahrungen aus ihren Heimatorten mit, gehen der Frage nach, wie Grenzen den Alltag bestimm(t)en, wie sie überwunden wurden und werden und wie die daraus resultierenden Veränderungen seitdem von den Betroffenen gesehen werden. Was hat das für ihr Leben bedeutet? Lassen sich Gemeinsamkeiten finden oder entwickeln angesichts der Frage, wie wollen wir leben?
Auch die Überwindung von Grenzen der Kommunikation sind ein besonderes Thema. Die Jugendlichen mit einer Gehörbeeinträchtigung konnten in dem Projekt eine eigene Perspektive vermitteln. Alle Jugendlichen und Betreuer:innen lernen etwas über die Gebärdensprache.
Erklärvideo des Gebärdenalphabets
Wir setzen in dem Projekt mehrere Schwerpunkte:
- Grenzübergreifende Jugendbegegnung
- Vertiefung historischer Kenntnisse
- Inklusion
- Perspektivenwechsel
- gemeinsames Lernen internationaler Teams verschiedener Altersgruppen mit englischsprachiger Verständigung, Gebärdensprache
- Kooperation mit europäischen Partnern im Bereich Jugendbegegnung als auch Austausch auf Multiplikator*innen-Ebene.
Wir haben dokumentiert, gefilmt, fotografiert, interviewt, gepostet, Graffitis gemacht, um die Erfahrungen bei unserer Tour zu den authentischen Orten in Berlin und auf Rügen festzuhalten. Entstanden sind ganz unterschiedliche und tolle Präsentationen der Jugendlichen, die sie in Teams erarbeitet haben.
Bericht über die Projekttage in Berlin und Prora:
Ankunft in Berlin (25.9.2022)
Jedes Projekt beginnt mit den aufregenden Minuten der ersten Begegnung. So auch bei unserem Projekt, nur dass in dem Fall die Teilnehmer*innen aus drei verschiedenen Ländern kamen. Drei verschiedene Länder, drei verschiedene Ankunftszeiten. Zum Glück ist alles gut gegangen und daher waren alle Teilnehmer*innen abends im Amstel-House Hostel Berlin versammelt. Herausforderungen bestehen immer. Bei 35 Teilnehmer*innen auch. Vor allem dahingehend, wie jeder Einzelne etwas über seinen „neuen“ Nachbarn erfährt. Deswegen haben alle Gruppen vor der Reise ein kleines Video über sich erstellt. Diese wurden als Einstieg gezeigt und verstärkten die Neugierde auf die anstehende gemeinsame Zeit.
Grenzen bestehen nicht nur zwischen Staaten, manchmal ist es auch die Kommunikation, die es zu überwinden gilt. Englisch und Gebärdensprache wurden als Brückensprachen genutzt. Und so lernten wir uns am ersten Abend nicht nur kennen, sondern wir lernten die ersten Gebärdenzeichen.
Erster Tag in Berlin (26.9.2022)
Der frühe Vogel fängt den Wurm. So auch an dem ersten Tag in Berlin. Die Planung sah eine Radtour zu bestimmten Orten der Berliner Mauer vor. 35 Fahrräder fallen leider nicht vom Himmel. Diese haben wir bei Berlin on Bike in der Kulturbrauerei Berlin ausgeliehen und sind von dort gestartet.
Zwei Gruppen schlängelten sich durch Berlin zum ersten Standort, das Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt. Unscheinbar aber doch aussagekräftig stehen dort 16 Bäume, stellvertretend für die Bundesländer der BRD, die nach der Wiedervereinigung dort gepflanzt wurden. Unverkennbar kann man dort aber auch Reste der Berliner Mauer sehen. Sofort steckten wir im Thema. Gefühlt jeder Quadratmeter kann dort etwas über die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung und darüber hinaus „erzählen“. Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Paul-Löbe-Haus. Gebäude, die ohne die deutsche Wiedervereinigung dort nicht stehen würden bzw. könnten, da die Spree und Teile des Ufers unmittelbares Grenzgebiet waren. Vom dortigen Spreeufer sahen wir die Weißen Kreuze.
Die innerdeutsche Grenze in Berlin wurde für mindestens 140 Menschen zur Todesfalle. Daran erinnern heute die Weißen Kreuze. Es sind sieben Schicksale festgehalten und dem Vergessen entgegengesetzt. Von dort fuhren wir Richtung Brandenburger Tor, entlang am Reichstagsgebäude und dem Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma. Ein besonderes Denkmal, inmitten einer der am meisten besuchten Orte in Berlin.
Video des Gedichtes „Auschwitz“ von Santino Spinelli in Gebärdensprache. Das Gedicht ist Bestandteil des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin.
Nächste Station war der „Tränenpalast“. Dieser umgangssprachlich so benannte Posten war die Grenzübergangsstelle Friedrichstraße. Von dort gingen S-Bahnen und Züge nach Westberlin. Reisefreiheiten hatten die Bürger in der DDR (Deutsche Demokratische Republik) nicht. Deswegen mussten am „Tränenpalast“ viele Familien, Freunde voneinander Abschied nehmen. Die einen sind gefahren, die anderen mussten in der DDR bleiben.
Über das Alltagsleben in der DDR konnten unsere Teilnehmer*innen im DDR-Museum etwas erfahren (rechts). Viele Gegenstände oder auch nachgestellte Räume „öffneten ein wenig das Fenster“ für diesen Zeitabschnitt. Nach einer Stunde mit Führung ging es zum Abschluss des Tages zur Eastside Gallery (links).
Das längste noch erhaltene Stück der Berliner Mauer! Nicht nur das macht diesen Ort so besonders, sondern auch die verschiedenen Motive, die dort von Künstler*innen gemalt wurden. Selbständig erkundeten die Schüler*innen und Studenten*innen diesen Teil der Berliner Sehenswürdigkeiten. Ziel sollte es sein, dass beste Motiv für sich selbst zu finden. Leicht ist etwas anderes. Irgendwann wurde es aber Zeit zurückzufahren. Ein schöner und aufregender Tag ging zu Ende. Der letzte Abend in Berlin.
Aufstehen, Sachen packen, zum Frühstück und auf ging es für uns zum letzten historischen Ort im Programm. An der Bernauer Straße gibt es eine Außenausstellung und das dazugehörige Dokumentationszentrum zur Berliner Mauer. Die Bernauer Straße ist nicht ausschließlich ein Lernort, mit verschiedenen Zeitfenstern, sondern öffnet Räume zum Gedenken.
Wer sich mit diesen historischen Orten beschäftigt, darf die Menschen nicht vergessen. Daher gehörte zur Projektwoche die Auseinandersetzung mit Zeitzeugen, die im unterschiedlichen Kontext mit der Berliner Mauer zu tun hatten. Die Gedenkstätte Berliner Mauer bietet Zeitzeugeninterviews für Gruppen an. Unsere Teilnehmer*innen sprachen mit Frau Werwig-Schneider und Joachim Neumann. Verschiedene Themen waren Gegenstand des Gesprächs, z.B. Flucht, Tunnel, Alltag an der Mauer, Hafterfahrung.
Danach sind wir in den Zug nach Rügen gestiegen. Von der Berliner Mauer zur Blauen Grenze. Eine natürliche Barriere, die die Bürger der DDR kaum bis gar nicht bewältigen konnten.
Abfahrt nach Prora (27.9.2022)
Wir kamen abends in Prora an. Alles war dunkel und für die Österreicher und Slowenen offenbarte sich der historische Ort Prora nur im diffusen Licht der Lampen. Umso mehr waren alle auf den nächsten Morgen gespannt.
Erster Tag in Prora 28.9.2022
Es wird gesagt, dass Prora an einer der schönsten Buchten der deutschen Ostseeküste liegt. Vielleicht. Egal wie, die Lage der Jugendherberge Prora ist super. Wer Glück hat, kann von seinem Zimmer aus ein bisschen vom Meer sehen. Die JH Prora wurde vor über zehn Jahren in einem der Blöcke des geplanten „Kraft durch Freude Seebades Rügen“ eröffnet. Spuren aus der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR sind nur mittelbar erkennbar. Und um diese wechselvolle Geschichte sollte es in der Führung über das Gelände gehen. Bevor wir aber loslegten, hielten wir ein liebgewonnenes Ritual ab. Das Erlernen von Gebärdenzeichen. Der Strand wurde zu unserem Lernort und „Geburtsort“ verschiedener Gebärdennamen.
Vormittags beschäftigten wir uns mit dem Erinnerungsort Prora, nachmittags startete die Gruppenarbeit der Teilnehmer*innen. Die gewonnenen Eindrücke der letzten Tage sollten nun unter spezifischen Fragestellungen verarbeitet werden. Aber am besten gelingt kognitive Arbeit mit kulinarischer Unterstützung. So auch in unserem Fall. Kekse, Kuchen, österreichische Spezialitäten gaben die nötige Energie zur Bewältigung der ersten Schritte.
Zweiter Tag in Prora (29.9.2022)
Über die nun täglich fortgesetzte Projektarbeit muss nicht im Detail berichtet werden. Dafür dienen die Ergebnisse der unterschiedlichen Gruppen. Ein Highlight des zweiten Tages in Prora darf aber auf keinen Fall unerwähnt bleiben. Der Besuch des Naturerbezentrums Rügen mit dem „Adlerhorst“. Ein Baumwipfelpfad mit einem ca. 80 Meter hohen Aussichtspunkt und einer Rutsche am Ende des Rundganges. Super Wetter, tolle Aussicht und eine Rutsche. Mehr brauchten wir nicht, um ein wenig abschalten zu können. Für den Abend luden wir alle Teilnehmer*innen zu einem Film ins Dokumentationszentrum Prora ein. Ausgewählt haben wir den Film „Das Leben der Anderen“. Sicherlich einer der bekanntesten deutschen Filme zum Thema DDR und die Staatssicherheit.
Dritter Tag in Prora (30.9.2022)
Es brach der letzte gemeinsame Tag an. Der Abschied rückte näher. Am nächsten Tag sollten alle Ergebnisse vorgestellt werden. Daher hieß es für alle Teilnehmer*innen die letzten Arbeiten anzugehen. Währenddessen liefen die Vorbereitungen für den Abend. Wir wollten diese Projektwoche nicht sang- und klanglos beenden. Vielmehr sollte es das í-Tüpfelchen werden. So kam es auch. Grillabend und danach das Lagerfeuer am Strand hinterließen tiefe Abdrücke in der Erinnerung aller.
Zack! Kaum fing die Projektwoche an, war sie schon vorbei. Die Vorstellung der Ergebnisse gab uns die Möglichkeit, die letzten Tage Revue passieren zu lassen. Viel gelernt, viele Eindrücke gewonnen und Zeit mit tollen Menschen verbracht. Es war unglaublich schön. Zum Glück wird die Reihe „Curtains and Walls“ fortgesetzt. Nächstes Mal sehen wir uns in Nova Gorica, in Slowenien. Bis nächstes Jahr!
Grafiken der SchülerInnen am Ende der Projektwoche zu Fragen, was Heimat für sie bedeutet und wie sie sich eine lebenswerte Welt vorstellen:
Das Projekt wurde kofinanziert von der Kulturabteilung des Landes Kärnten, vom Landesjugendreferat des Land Kärnten, dem Landtagsklub der SPÖ, ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater, Ministerpräsident, Kultur- und Bildungsminister Landeshauptmann Peter Kaiser, Jugendministerin Landesrätin Sara Schaar und dem Vorsitzenden des Kulturausschusses des Kärntner Landtags, Labg. und Fraktionsvorsitzender Herwig Seiser.
Links zu Arbos:
https://www.arbos.at/download/2019/Programm-Netzwerkmeeting.pdf
https://www.arbos.at/on-the-move/index.php
https://www.arbos.at/on-the-move/index_e.php